🏔️ Hochtour18. Juli 2014 - 19. Juli 2014

La Ruinette & Mont Rouge

Einsame Biwaktour im Val de Bagnes

ca. 5 Minuten Lesezeit

Mit Andi habe ich geplant, La Ruinette im Rahmen einer Biwaktour zu besteigen. Weil er am Freitag erst gegen Abend in Mauvoisin sein kann und ich den sonnigen Tag nicht im Zug/Postauto, sondern draussen verbringen will, starte ich schon einen halben Tag früher und kann dafür einen Umweg über den Mont Rouge du Giétro machen.

Am Donnerstagabend nehme ich nach der Arbeit die letztmögliche Verbindung nach Martigny, wo ich kurz nach 23 Uhr ankomme. In den Rebbergen etwas oberhalb der Stadt, unweit der Burg, suche ich mir ein gemütliches Plätzchen zum schlafen. Nachdem ich nicht einmal eine Stunde geschlafen habe, fängt der Horror an: Zwei Marder kommen immer wieder zu mir und wollen sich an meinem Rucksack zu schaffen machen. Ich bewerfe die Störefriede mit Kieselsteinen, doch kaum bin ich wieder eingenickt, huschen sie schon wieder um meinen Schlafplatz herum. An einen erholsamen Schlaf ist so leider nicht zu denken – so bin ich froh, dass kurz nach 5 Uhr der Himmel hell wird und die Sonne aufgeht. Bis zur ersten Bahnverbindung ins Val de Bagnes reicht die Zeit noch für einen Stadtbummel durch das malerische Städtchen.

Blick von der Burg Martigny nach SüdenBlick von der Burg Martigny nach Süden
Burg MartignyBurg Martigny
In Le Chable ist La Ruinette bereits sichtbarIn Le Chable ist La Ruinette bereits sichtbar

Kurz vor 11 Uhr erreiche ich schliesslich Mauvoisin mit dem Postauto und kann mit meiner Wanderung starten. Von der Postautohaltestelle geht es entlang der Strasse und dann durch Tunnels bis zur imposanten Staumauer. Über diese hinüber und dann durch mehrere Tunnels dem Stausee entlang. Dieser ist zur Zeit eher halbleer als halbvoll. Dementsprechend imposant sind die künstlichen Wasserfälle, die aus den Felswänden in den See donnern. Nun zweigt der Wanderweg ab und führt steil hinauf zur verlassenen Alp Ecuries du Giétro. Hier esse ich erst einmal und mache mich dann auf den Weg hinauf zum Col du Giétro.

Die Staumauer Mauvoisin und links der Mont Rouge du GiétroDie Staumauer Mauvoisin und links der Mont Rouge du Giétro
Halbleer oder halbvoll?Halbleer oder halbvoll?
Auf der anderen Talseite donnern die Wassermassen in den SeeAuf der anderen Talseite donnern die Wassermassen in den See
Die verlassenen Alpställe von Ecuries du GiétroDie verlassenen Alpställe von Ecuries du Giétro

Die fast 1000 Höhenmeter gilt es nun weglos zu bewältigen, dabei muss man sich einen Weg durch die zahlreichen Steilstufen und Absätze zurechtlegen. Wider Erwarten stosse ich immer wieder auf Wegspuren, wahrscheinlich von Tieren, die mir den Aufstieg über die steilen Wiesen massiv erleichtern. Wichtig ist, dass man oberhalb von La Pâturau auf die steile Grasflanke gelangt, die etwas südwestlich vom Col du Giétro hinunterzieht – sonst kämpft man sich durch endlose Geröll- und Kieshalden. Auch so ist er Aufstieg ziemlich kräfteraubend und der schwere Rucksack macht sich bemerkbar. Nach 2.5 Stunden stehe ich schliesslich auf dem Col du Giétro und darf erst einmal die Aussicht geniessen. Beeindruckend finde ich vor allem der menschenleere, überschneite Glacier du Giétro – hier ist man wirklich für sich alleine.

Blick nach oben in Richtung Col du Giétro fast 1000 Hm weiter oben. Etwas rechts des Col ist die Grasrampe zu erkennen, die ich anpeileBlick nach oben in Richtung Col du Giétro fast 1000 Hm weiter oben. Etwas rechts des Col ist die Grasrampe zu erkennen, die ich anpeile
EdelweisseEdelweisse
Grand CombinGrand Combin
Wegspuren erleichtern den Aufstieg. Es führen aber nicht alle nach oben.Wegspuren erleichtern den Aufstieg. Es führen aber nicht alle nach oben.

Mein Weg führt nun vom Col du Giétro über den langgezogenen, mehrgipfligen Mont Rouge du Giétro, wie schon in einem 🔗Tourenbericht auf Hikr.org beschrieben. Ich folge immer der Gratschneide und weiche nur selten etwas nach links oder rechts aus, um die durchweichten Schneefelder zu umgehen. Muss ich den Schnee durchqueren, sinke ich schnell einmal bis fast zur Hüfte ein – die Hitze macht sich bemerkbar. Man könnte hier – wenn weniger Schnee liegt oder dieser gefroren ist – jederzeit auf den Gletscher ausweichen und auf diesem bequem aufsteigen. Die Felsqualität am Grat ist nicht immer über alle Zweifel erhaben. Zwei Mal passiert es mir, dass ich mich an einem Felsbrocken hochziehen möchte, mir dieser jedoch entgegenkommt und mit Getöse nach unten stürzt. Solche leichte Kletterstellen kann man aber, wie gesagt, nach Belieben umgehen. Auf P.3314 lege ich abermals eine Pause ein und koche mir eine Bouillon – so komme ich wieder etwas zu Kräften und kann motiviert weiterwandern. Als ich auf dem höchsten Punkt des Mont Rouge du Giétro (P.3439) ankomme, ist es bereits 17 Uhr. Aber ich habe heute ja keine Eile. Sorgen macht mir lediglich der Abstieg vom Col du Mont Rouge zum Col de Lire Rose. Liegt hier noch viel Schnee und darf ich mich stundenlang durch diesen hindurchwühlen? Besteht eventuell Lawinengefahr durch die warme Nachmittagssonne?

Der weitere Gratverlauf auf dem Mont Rouge du Giétro. Hinten rechts der P.3375Der weitere Gratverlauf auf dem Mont Rouge du Giétro. Hinten rechts der P.3375
Mont Blanc de CheilonMont Blanc de Cheilon
Über den Glacier du Giétro geschaut. Hinten das WeisshornÜber den Glacier du Giétro geschaut. Hinten das Weisshorn
La Ruinette – das RuinchenLa Ruinette – das Ruinchen
Schon etwa die Hälfte geschafft. Hinten der höchste Punkt des Grats und der SattelSchon etwa die Hälfte geschafft. Hinten der höchste Punkt des Grats und der Sattel
Westseitig geht es steil hinunterWestseitig geht es steil hinunter
Über 1000 Meter weiter unten der Lac de MauvoisinÜber 1000 Meter weiter unten der Lac de Mauvoisin
Grand Combin. Eine beeindruckende WandGrand Combin. Eine beeindruckende Wand

Der Abstieg vom Col du Mont Rouge stellt heute denn auch die Schlüsselstelle dar: Ich muss über eine fast senkrechte Wächte etwa 10 Höhenmeter hinabsteigen; unten drohen Felsabbrüche. Im nassen Schnee und ganz alleine nicht gerade optimal. Dafür komme ich anschliessend schneller vorwärts und stehe bald einmal auf dem Col de Lire Rose, wo ich mein Biwak aufschlage. Nach einem gemütlichen Abend – kochen, lesen, sünnele, Schnee schmelzen, Tee kochen, Sonnenuntergang geniessen – lege ich mich schlafen. Als ca. eine Stunde später Andi beim Biwak eintrifft, muss ich erst einmal wach werden.

Heikler Abstieg über die fast senkrechte Wechte beim Col du Mont RougeHeikler Abstieg über die fast senkrechte Wechte beim Col du Mont Rouge
Besuch beim Biwak – eine AlpendohleBesuch beim Biwak – eine Alpendohle
Mondlandschaft? Zoom zu den Moränen des Glacier du BrenayMondlandschaft? Zoom zu den Moränen des Glacier du Brenay
Pointe d’OtemmaPointe d’Otemma
Ein angenehmer Biwakplatz auf dem Col de Lire Rose. Zum Schnee holen muss ich nicht mal aufstehen.Ein angenehmer Biwakplatz auf dem Col de Lire Rose. Zum Schnee holen muss ich nicht mal aufstehen.
Dents du MidiDents du Midi

Am nächsten Morgen starten wir um 6.30 Uhr in Richtung La Ruinette. Teilweise auf Wegspuren, teilweise in leichter Kletterei geht es hoch zu P.3386. Man folgt eigentlich immer dem Grat. In den Flanken wäre es bröselig und abschüssig. Von P.3386 erblickt man bereits den markanten Turm weiter oben am Grat. Diesen umgeht man links (nordwestlich) über ein paar Platten im 2. Klettergrat. Anschliessend wird es wieder einfacher, bis man den grossen Steinmann bei P.3470 erreicht. Hier machen wir Pause, geniessen die Aussicht und ziehen die Steigeisen an.

Blick vom Col de Lire Rose über den Aufstieg in Richtung La Ruinette. Man folgt immer dem GratBlick vom Col de Lire Rose über den Aufstieg in Richtung La Ruinette. Man folgt immer dem Grat
Eines der beiden Seelein unterhalb des Col de Lire RoseEines der beiden Seelein unterhalb des Col de Lire Rose

Aufstieg am nächsten Morgen, zusammen mit Andi. Unten der Col de Lire Rose mit dem BiwakAufstieg am nächsten Morgen, zusammen mit Andi. Unten der Col de Lire Rose mit dem Biwak
Blick zum P.3470 (Steinmann); dahinter der Gipfel der La RuinetteBlick zum P.3470 (Steinmann); dahinter der Gipfel der La Ruinette
Glacier de La Ruinette und der formschöne GipfelGlacier de La Ruinette und der formschöne Gipfel

Nun wandern wir über den Glacier de la Ruinette hoch zum Sattel unterhalb des Gipfelgrats (zwischen P.3710 und P.3875). Hier überholt uns eine andere Seilschaft, die in der Cabane de Chanrion gestartet war. Nun geht es auf dem ausgesetzten Grat auf den letzten Höhenmetern hinauf zum Gipfel der La Ruinette. Mit dem Schnee, der noch auf dem Grat liegt, muss man gut aufpassen. Jeder Tritt gilt es auf seine Festigkeit zu prüfen, will man nicht auf einem der tief unten liegenden Gletscher landen. Wir gehen alles ohne Seil; zuerst mit Steigeisen, weiter oben ohne. Ca. 3.5 Stunden nach Aufbruch erreichen wir den Gipfel.

Andi im Aufstieg über den Glacier de la RuinetteAndi im Aufstieg über den Glacier de la Ruinette
Ein Horn und ein Zahn stechen in den Morgenhimmel: Matterhorn und Dent d’HerensEin Horn und ein Zahn stechen in den Morgenhimmel: Matterhorn und Dent d’Herens
Nordwand zur La Ruinette. Vielleicht etwas für Steilwand-Skifahrer?Nordwand zur La Ruinette. Vielleicht etwas für Steilwand-Skifahrer?
Andi auf dem GipfelgratAndi auf dem Gipfelgrat
Die letzten Meter zum GipfelkreuzDie letzten Meter zum Gipfelkreuz
Nun dürfen wir das Panorama geniessen. Eine ungewohnte Perspektive!Nun dürfen wir das Panorama geniessen. Eine ungewohnte Perspektive!
Weisshorn – Dent BlancheWeisshorn – Dent Blanche

Nun geht es auf derselben Route wieder zurück zum Biwak: Zuerst klettern wir über den Grat ab zum Sattel, stapfen durch den nun völlig aufgeweichten Schnee zu P.3470 und steigen dann ab zum Biwak. Für den Abstieg zurück zum Stausee nehmen wir nicht den markierten Wanderweg via Lac de Tsofeiret, sondern wandern durch den Kessel nordwestlich des Col de Lire Rose, vorbei an den beiden Seelein, in Richtung Stausee. So spart man sich einiges an Gehdistanz. Andi hat diesen Zustieg bei einer anderen Tour mit einigen Steinmännchen markiert. Über schöne Alpweiden, vorbei an zahlreichen Edelweissen, gelangen wir nun zurück zum Wanderweg. Als wir auf die Uhr schauen und merken, dass der nächste Bus noch zu erreichen wäre, legen wir einen Gang zu und erreichen Mauvoisin schliesslich um 15:08 Uhr, zwei Minuten vor Abfahrt.

Nach der Tour folgt die lange Rückreise: Mit dem Postauto von Mauvoisin nach Le Chable, mit dem Regionalzug nach Martigny, mit dem Schnellzug nach Lausanne, und schliesslich mit dem Neigezug via Yverdon und Biel über Zürich nach St.Gallen.